NAX Report 01/16: Nax Aktuell: Architekturleistungen

Architekturleistungen und Baukultur Made in Germany

NAXNAX Netzwerk Architekturexport fragt, Staatssekretär Gunther Adler (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) und Reiner Nagel (Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur) antworten.
Wie beide das Knowhow deutscher Planer im Ausland und den Export von Architekturdienstleistungen und Baukultur beurteilen und bewerben, lesen Sie hier.

Staatssekretär Gunther Adler (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit)

Staatssekretär Gunther Adler (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit)FOTOGRAF: AXEL CLEMENS

NAX: Sehr geehrter Herr Adler, Sie sind der Bundesarchitektenkammer und dem NAX seit langer Zeit verbunden. Bei gemeinsamen Projekten, Workshops und Delegationsreisen (zuletzt im November 2015 in den Iran) unterstützen Sie mit uns das Knowhow deutscher Architekten, Ingenieure, Planer und Baufirmen, u.a. im Bereich nachhaltiges Bauen und Sanieren und Energieeffizienz. Warum sehen Sie hier die Kompetenz deutscher Planer als hervorragend an?

StS Adler: Das Leistungsbild deutscher Architektinnen und Architekten ist nicht auf den Entwurfsprozess begrenzt, sondern erstreckt sich über den gesamten Projektverlauf von der Grundlagenermittlung, über die verschiedenen Planungsstadien, die Objektüberwachung, bis zur Objektbetreuung. Deutsche Architektinnen und Architekten schulden ihrem Bauherrn mit ihren Leistungen den werkvertraglichen Erfolg. Voraussetzungen hierfür sind deshalb nicht nur planerische Qualitäten, sondern eine umfassende fachliche Expertise, um die vielfältigen Anforderungen z.B. hinsichtlich der Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und nicht zuletzt an das Planen und Bauen im Bestand erfüllen zu können. Mit diesen umfassenden Kompetenzen können und sollten deutsche Planer im Ausland punkten.

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung BaukulturFOTOGRAF: AXEL CLEMENS

NAX: Sehr geehrter Herr Nagel, die Bundesstiftung Baukultur tritt seit vielen Jahren für die Bedeutung der Baukultur als wesentlicher Faktor von Lebensqualität ein. Nicht nur national sondern auch international ist der Begriff mittlerweile ein Synonym für deutsche (Bau)Qualität geworden. Ist es vielleicht genau das Thema Baukultur, welches die deutschen Planer in ihrer Kompetenz zu anderen Nationen absetzt? Und wie kann aus Ihrer Sicht die Politik hier unterstützend tätig sein?

 

Nagel: Ich glaube tatsächlich, dass Baukultur ein Markenzeichen ist. Der Begriff lässt sich in seiner Vielschichtigkeit nicht zutreffend übersetzen, weshalb wir ihn auch international unverändert benutzen. Er beinhaltet nicht nur ästhetische oder denkmalpflegerische Aspekte, sondern auch technische, soziale, ökonomische und ökologische. Und wir beziehen ihn auch ganz eindeutig auf die Kultur des Planens und Bauens als Prozess. Deutsche Planer sind bereits bei klimagerechten Gebäudekonzepten weltweit führend und ich sehe gute Chancen, dass sie auch mit ihren Kompetenzen, alle genannten Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen und in gute Gestaltung umzusetzen, international erfolgreich sein können.

Die Politik muss dafür noch mehr das interdisziplinäre Arbeiten – übrigens auch in ihren eigenen Verwaltungsstrukturen – forcieren und für Regelungen sorgen, die auch die so genannte Leistungsphase Null, in der Konzepte entstehen, festschreiben und fördern.

NAX: Welche Maßnahmen ergreift die Bunderegierung, um das Thema Baukultur im Ausland besser zu vermarkten?

StS Adler: Zunächst unterstützt das Bundesbauministerium die Bundesarchitekten-kammer im Rahmen seiner Möglichkeiten auch weiterhin bei den Initiativen des Netzwerks Architekturexport, so wie das auch durch die Außenwirtschaftsförderung des Bundes-wirtschaftsministeriums und der auswärtigen Kulturpolitik des Auswärtigen Amts geschieht.

Dann sehen wir unsere Aufgabe darin, Handelnde und Interessierte zum Thema Baukultur und Stadt auch auf internationaler Ebene zusammen zu bringen, Plattformen zu schaffen für einen lebendigen Austausch zu aktuellen stadtgesellschaftlichen und städtebaulichen Trends und beispielhafte Handlungs- und Lösungsansätze aufzugreifen. So unterstützen wir beispielsweise den Erhalt des UNESCOUNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization-Weltkulturerbes „Weiße Stadt“ in Tel Aviv, des weltweit größten Ensembles von Gebäuden der klassischen Moderne im Bauhausstil.

Wir arbeiten auch eng mit dem Goetheinstitut zusammen, dessen Institute vermehrt auch Themen der Baukultur mit Akteuren in aller Welt diskutieren, z.B. in unserer Wanderausstellung „Weltstadt“. Diese Zusammenarbeit ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Umgang von starken Zuwanderungen in die Metropolen dieser Welt einerseits und Abwanderungen aus Krisenregionen andererseits leider auch sehr aktuell. Dabei stellen wir immer die Frage: welchen Beitrag können Architektur und Städtebau in diese Prozessen leisten? Aktuell unterstützen wir das Projekt „IN TRANSIT – Urban Development and Placemaking“.

Wichtig ist für uns auch die Präsentation der Beiträge deutscher Planer zur Gestaltung unserer Umwelt im aktuellen Kontext auf international anerkannten Ausstellungen, so auf der weltweit bedeutendsten Architektur- und Städtebauausstellung in Venedig; dieses Jahr mit dem Beitrag: „Making Heimat. Germany, Arrival Country“, erstellt vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt.

Nicht vergessen möchte ich auch unsere Unterstützung der deutschen Marke Internationale Bauausstellung (IBA) als innovative und experimentelle Architektur- und Städtebauausstellung von internationaler Bedeutung. Hier gehen wir gemeinsam mit dem IBA-Expertenrat eine Qualitätsoffensive an und unterstützen die Internet-Plattform ´open IBA` zur besseren Vernetzung und Internationalisierung der IBA.

Aber auch als Bauherr Bund bringen wir Baukultur ins Ausland. Um innovative deutsche Planungsqualität umsetzen zu können, hält das Bundesbauministerium auch weiterhin daran fest, für Bundesbaumaßnahmen im Ausland verstärkt offene Planungswettbewerbe durchzuführen.

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NAX: Wie kann aus Sicht der Bundestiftung der Begriff Baukultur im Ausland noch besser vermittelt werden?

Nagel: Man muss die Akteure erreichen, die direkten Einfluss auf das Bauen haben. Das ist ja keineswegs nur die Politik, sondern das sind Immobilienentwickler, Wohnungsbau-gesellschaften und Unternehmen, von denen viele inzwischen international agieren und internationale Gesellschaften vermehrt in Deutschland investieren.

Deshalb ist die Bundesstiftung Baukultur auf den Immobilienmessen MIPIMMIPIM Marché International des Professionnels de l’immobilier und Expo Real vertreten, wo sie bei Diskussionsrunden mit Planern und Immobilienfachleuten Baukultur als Erfolgsfaktor darstellt, der sich auch monetär rechnet. Mit der Übersetzung unseres Baukulturberichts ins Englische und Französische und seinen Handlungsempfehlungen auch für diese Akteure haben wir zudem handfestes Material mit statistischen Daten und gelungenen Projektbeispielen an der Hand.

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NAX: Welche Länder sind aus Ihrer Sicht die Zukunftsmärkte innerhalb der nächsten drei Jahre für deutsche Planer? Gibt es seitens der Regierung schon eine Strategie, diese Märkte für Planer besser zu öffnen?

StS Adler: Deutsche Planer sind weltweit erfolgreich aktiv. Die Wirtschaft kann die Frage nach den Zukunftsmärkten daher sicher selbst am besten beantworten. Seitens des Bundesbauministeriums können wir dort politische Unterstützung leisten, z.B. im Rahmen von Delegationsreisen oder auch von Konferenzen und Workshops.
 

So unterstützen wir beispielsweise gezielt die Bemühungen der deutschen Wirtschaft in dem sich derzeit öffnenden iranischen Markt, wo wir bereits im November letzten Jahres mit einer Wirtschaftsdelegation – darunter zahlreichen Architekten – vertreten waren. Kürzlich haben wir in Berlin den Gegenbesuch von drei iranischen Vizeministern empfangen, die großes Interesse an einer Kooperation geäußert haben. In diese Vorbereitungen haben wir seitens des Bundesbauministeriums auch NAX intensiv eingebunden. Darüber hinaus ist es naheliegend, sich Märkte anzuschauen, wo erhebliche Bauaktivitäten zu erwarten sind. Ich denke da etwa an das „100 Smart Cities-Programm“ in Indien. Auch hier wollen wir die indische Regierung bei der Umsetzung gezielt unterstützen.

NAX: Sind aus baukultureller Sicht die gleichen Länder Zukunftsmärkte, oder gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere?

Nagel: Ich komme gerade von einem Lehrauftrag aus Ägypten zurück und habe viele Menschen getroffen, die ihr Land verändern und gestalten wollen. In den aufstrebenden Wirtschaften Afrikas und Asiens entstehen die Städte der Zukunft. Neben massenhaften Geschossflächen sind auch dort neue Energiekonzepte ebenso gefragt wie öffentliche Räume und städtische Infrastruktur, die nutzbare Mehrwerte bieten. Aber auch europäische Städte müssen an die Zukunft angepasst werden. Die Weiterentwicklung des Bestands sehe ich hier als vordingliche Aufgabe der Baukultur.

NAX: Lieber Herr Adler, Sie eröffnen in diesem Jahr den Gemeinschaftsstand GERMAN PAVILION auf der internationalen Immobilien-Messe MIPIM in Cannes, zusammen mit dem deutschen Generalkonsul in Marseille, Dr. Dr. Krause, und BAKBAK Bundesarchitektenkammer-Vizepräsident Prof. Niebergall. Herr Nagel, Sie sind ebenfalls als einer von 26 Ausstellern mit der Bundesstiftung Baukultur auf dem Stand aktiv präsent. Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert der Teilnahme für deutsche Planer an solch einer renommierten Messe?

StS Adler: Die MIPIM in Cannes ist eine der weltweit führenden Immobilien-Messen. Sie bringt alle wichtigen Beteiligten des internationalen Immobilienmarktes zusammen. Das ist für deutsche Planer eine großartige Chance, ihr umfassendes technisches und gestalterisches Know-how zu präsentieren. Deutsche Planer sollten die internationalen Player davon überzeugen, dass ihre Kompetenz entscheidend ist, damit die Gestaltung unserer gebauten Umwelt zukunftsorientiert, nachhaltig und mit baukulturellem Anspruch angegangen werden kann.

Nagel: Deutsche Architekten sind international immer noch zu wenig präsent. Das liegt auch daran, dass viele den direkten Kontakt zu einer globalisierten Immobilienbranche scheuen. Dabei liegen hier große Chancen, denn gerade deutsche Planer sollten mit ihrer Erfahrung in Sachen klimagerechtem und sozialem Bauen, mit Ihrem Blick für Angemessenheit und ihrem Umgang mit dem Bestand auch bei internationalen Projekten höchst willkommen sein. Weil diese Perspektiven leider noch viel zu häufig fehlen, sehe ich die MIPIM als passende Gelegenheit, die eigene Fähigkeiten und die „deutsche“ Sichtweise auf „Baukultur“ bekannt zu machen. Außerdem ist es eine bekannte Lebensweisheit, dass die Profilierung nach außen gleichzeitig strukturierend nach innen wirkt. Indem wir uns nach außen darstellen, gelingt es uns unserer eigenen Stärken zu erkennen.
 

NAX: Sehr geehrte Herren, wir danken Ihnen sehr für diesen interessanten Austausch und freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

Baukulturbericht 2014/2015 auf Deutsch, Englisch und Französisch

 

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