Fragen an Dr. Dalia Samra-Rohte, Auslandshandelskammer/Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen

SAUDI-ARABIEN INVESTIERT MASSIV IN NACHHALTIGE BAUPROJEKTE.

Saudi-Arabien will keine Ölnation mehr sein: Kronprinz Mohammed bin Salman bereitet das Land mit seiner „Vision 2030“ auf eine Zukunft ohne Ölexporte, dafür mit erneuerbaren Energieanlagen, CO₂ -neutralen Mega-Cities und ressourcenschonendem Umgang mit Wasser und Strom vor. In aller Munde ist seit einiger Zeit vor allem das Milliardenprojekt „Neom“. Die Stadt soll klimaneutral und für Fußgänger gebaut werden, Autos und Straßen sind nicht geplant. Lesen Sie in unserem Interview mit Dr. Dalia Samra-Rohte von der Auslandshandelskammer/Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen mehr zu Saudi-Arabiens Schritt in die energetische Zukunft, den Stand um das Mega-Projekt Neom und wie deutsche Baubeteiligte in dem Wüstenstaat aktiv werden können.

Dr. Dalia Samra-Rohte, Auslandshandelskammer (AHK) / Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen

Dr. Dalia Samra-Rohte, Auslandshandelskammer (AHKAHK Auslandshandelskammer) / Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und JemenDr. Dalia Samra-Rohte

NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Sehr geehrte Frau Dr. Samra-Rohte, in 2019 hat die AHK in einer Zielmarktanalyse sehr gut dargestellt, wie schwierig aber notwendig ein Umdenken hin zu nachhaltigem und energieeffizientem Planen und Bauen in Saudi-Arabien ist. In der Zwischenzeit tut sich in der gesamten Region zu diesem Thema viel, Mega-Projekte der Zukunft werden geplant, wie z.B. die klimaneutrale Ökostadt Neom. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage hierzu, speziell in Saudi-Arabien? Wie ist der Stand der Dinge?

Dr. Dalia Samra-Rohte: Im Masterplan der Vision 2030 steht das Thema Nachhaltigkeit in den unterschiedlichen Bereichen im Vordergrund. Der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft im Energiebereich ist eines der Beispiele. Das Königreich plant zu einem Produzenten und Exporteur von grünem und blauem Wasserstoff zu werden. Bis 2030 plant das Königreich 50 Prozent seiner Energie aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen.
Der Wille der Regierung, diese Ziele sowie eine nachhaltige Struktur aufzubauen, zeigt sich unter anderem bei den in den letzten Jahren ausgeschriebenen und durchgeführten Projekte im Bereich der nachhaltigen Energieerzeugung (Wind, Solar, Waste-to-Energy). In den nächsten drei Jahren werden Ausschreibungen im Wert von 21,4 Mrd. USD im Wasser- und Abwasserbereich erwartet, davon 11,3 Mrd. USD für Meerwasserentsalzung, 7,9 Mrd. USD für das Wassernetz und Infrastruktur und 2,3 Mrd. für Kläranlagen.
Zur Erreichung der Ziele spielt energieeffizientes Bauen eine bedeutende Rolle. Retrofitprogamme sowie die Gründung von Servicegesellschaften (ESCOs) haben die Rahmenbedingung für die Anwendung von energieeffizienten Technologien in Gebäuden geschaffen. Da Gebäude immer noch für 80 Prozent des Energieverbrauches verantwortlich sind, werden zunehmend neue Programme zu Energieeffizienz in Gebäuden angestoßen. Ein Fokus wird dabei auf den Bau der klimaneutralen Stadt Neom gesetzt. Die Stadt befindet sich momentan in der Planungsphase. Im Rahmen von Gesprächen mit Neom wurde gegenüber der Delegation der Deutschen Wirtschaft immer wieder betont, dass Bedarf an neuen Technologien und Konzepten besteht. Das Projekt bietet gerade auch deutschen Betrieben mit ihren Erfahrungen in Sachen energieeffiziente Gebäude Möglichkeiten für Pilotprojekte und Anwendung von innovativen Konzepten.


NAX: Aktuell wird massiv international für Neom geworben, Baubeginn soll schon in den nächsten Wochen sein. Aber Neom ist nicht unumstritten und erinnert an ähnliche Projektideen aus 2005, bei denen von sechs geplanten Städten nur eine gebaut wurde. Wird Neom, Ihrer Meinung nach, Realität?

Dr. Dalia Samra-Rohte: Momentan werden in Neom die ersten Infrastrukturprojekte umgesetzt. Das Neom-Projektteam ist auf das Gelände im Norden von Saudi-Arabien gezogen. Der operative Teil wird aus einer Containerstadt gelenkt. Am 7. Juli 2020 wurde der Aufbau eines Wasserstoffprojekts im Wert von 5 Milliarden US-Dollar in Neom bekanntgegeben. Bis 2025 soll die Anlage unter Nutzung von Erneuerbaren Energien 650 Tonnen grünen Wasserstoff pro Tag und damit 1,2 Millionen Tonnen grünen Ammoniak pro Jahr zum Export für den Weltmarkt produzieren. Aus Expertengesprächen mit Neom-Vertretern entnehmen wir, dass der Bau des Flughafens voranschreitet und auch im Wasser- und Abwasserbereich gibt es Fortschritte.


NAX: 2019 stand die Baubranche in Saudi-Arabien sehr gut da, durch die Corona-Pandemie ist in 2020 die Auftragsvergabe jedoch massiv eingebrochen. Aber auch, wenn die aktuellen Aussichten düster erscheinen, mittel- und langfristig sollen weiterhin gute Wachstumschancen bestehen. In welchen Bereichen der Bauwirtschaft sehen Sie diese und wie können Architekten und die weiteren Beteiligten der deutschen Wertschöpfungskette Bau hier partizipieren?

Dr. Dalia Samra-Rohte: Die Baubranche in Saudi-Arabien ist ein starker Preismarkt. Erfahrungsgemäß können sich deutsche Produkte gut in Nischenbereichen positionieren. Dazu gehört u.a. der Bereich Energieeffizienz in Gebäuden. Kürzungen von Subventionen von Strompreisen führen zu einer Weiterentwicklung dieses Sektors. Daher wird ein Fokus auf energieeffizientes Bauen gesetzt. Dieses sehen wir momentan an zahlreichen staatlichen Gebäuden. Die National Energy Services Company (Tarshid) ist die sogenannte „Super-ESCO“ Saudi-Arabiens. Die Behörde übersieht und finanziert Tarshid Projekte für Regierungs- und Gewerbegebäude sowie Straßenbeleuchtung und ist für die Weiterentwicklung des Sektors zuständig. Tarshid plant in den nächsten Jahren Retrofitprogramme für 110.000 Bürogebäude und Lagerhallen, 100.000 Moscheen, 35.000 Schulen und 2.500 Krankenhäuser.


NAX: Namhafte deutsche Architekten, Ingenieurinnen, Fachplanerinnen und Unternehmen planen und bauen bereits in Saudi-Arabien – aber wie kommen Interessierte an Aufträgen und Ausschreibungsinformationen? Und wie kann die AHK Saudi-Arabien beim Markteintritt helfen?

Dr. Dalia Samra-Rohte: Erfahrungsgemäß sind der Aufbau von persönlichen Kontakten und die Präsenz vor Ort wichtige Voraussetzung für den Markteintritt in Saudi-Arabien. In COVIDCOVID-19 Corona Virus Disease 2019-Zeiten kann dieses auch digital erfolgen, da Saudi-Arabien sehr digitalisiert ist. Die Delegation der Deutschen Wirtschaft bietet (digitale) Dienstleistungen zur Unterstützung beim Markteintritt oder zur Vertiefung der Geschäftsbeziehungen vor Ort an. Diese vernetzen deutsche Unternehmen und Entscheidungsträger mit lokalen Partnern und potentiellen Auftraggebern. Viele der Ausschreibungen in Saudi-Arabien sind beschränkte Ausschreibungen. Daher ist es wichtig im Vorfeld entsprechend Kontakte aufgebaut zu haben, um überhaupt die Ausschreibungen zu erhalten. Im Falle Neom erfolgt eine Registrierung über das Portal:  NEOM  Procurement Site (ariba.com)


NAX: Das Besondere an Saudi-Arabien ist ……wären Sie so nett und beenden den Satz mit Ihrer persönlichen Einschätzung/Meinung.

Dr. Dalia Samra-Rohte: …die Vielzahl der unternehmerischen Möglichkeiten im Zuge des wirtschaftlichen Wandels.


NAX: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben, sehr geehrte Frau Dr. Samra-Rohte! Alles Gute!

Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen

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