BoKo WiTa 2019

BoKo WiTa 2019: Deutsche Botschafter geben Wirtschafts-Updates ihrer Länder

Thomas Koehler, photothek.net

Am 27.8.2019 trafen sich die Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen, um weit über 1.000 Interessierte aus Wirtschaft und Politik über die aktuelle Situation für deutsche Unternehmen in ihren jeweiligen Ländern zu informieren. Unter dem Motto „Multilateralismus gestalten: die Wirtschaft als Partner in Europa und der Welt“ wurden in Länderausschüssen und Foren sowie in zahlreichen Begegnungen am Rande der Konferenz die drängenden politischen und außenwirtschaftlichen Herausforderungen thematisiert. Außenminister Heiko Maas und Margrethe Vestager, EUEU Europäische Union-Kommissarin für Wettbewerb, eröffneten die Veranstaltung.

Außenminister Heiko Maas

Außenminister Heiko MaasThomas Koehler, photothek.net

Außenminister Maas rief in seiner diesjährigen Rede Deutschland und die Welt dazu auf, die Globalisierung mit all ihren Vor- und Nachteilen als Entwicklung zu akzeptieren, die nicht wieder rückgängig, aber sehr wohl besser zu machen sei. Daher plädiere auch das Motto der diesjährigen Botschafterkonferenz für einen Multilateralismus, der durch klare Regeln letzten Endes allen zugutekomme. Aktuelle, weltweite Tendenzen der Abschottung und des Nationalismus hingegen seien mit großen Risiken verbunden, die wir in Deutschland als Exportnation in Form einer abschwächenden Konjunktur bereits zu spüren bekämen. Der einzige Weg, wie Deutschland sein Gewicht in der Waagschale der Welt erhöhen könne, sei eine enge Kooperation mit anderen EU-Staaten. Gemeinsam mit Frankreich setze man sich beispielsweise aktuell für eine WTO-Reform, ein Industriezollabkommen mit den USA sowie eine neue europäische Konnektivitätsagenda ein. Zudem warb Maas für weitere Freihandelskommen, denn damit schaffe man nicht nur Absatzmärkte für eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft, sondern setze weltweit auch die höchsten Standards für Verbraucher-, Arbeits- und Umweltschutz.
Anschließend lud Maas die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf die Bühne ein. Sie rief die EU in einem eindringlichen Plädoyer zu einem selbstbewussten Umgang mit der Digitalisierung auf. Man müsse als Europäer stärker zusammenarbeiten, um dafür Sorge zu tragen, dass die Digitalisierung zum Nutzen der Menschen sei und nicht gegen sie arbeite. Daher habe sich die Europäische Wettbewerbsaufsicht in der Vergangenheit stark mit den Wettbewerbsregeln für digitale Plattformunternehmen befasst. Firmen wie Google hätten durch die von ihnen bereitgestellte digitale Infrastruktur eine enorme Macht, die sie immer wieder dazu nutzen würden, Wettbewerb und Innovation zu unterbinden. Auch die Art und Weise wie Google, Facebook und andere Daten von Nutzern sammelten und verarbeiteten, könne eine Form von Wettbewerbsverzerrung darstellen, die es im Auge zu behalten gelte. Außerdem habe die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits sehr deutlich gemacht, dass die EU bereit sein müsse, zu handeln, falls es bis 2020 keine einheitliche, internationale Steuerregelung für Digitalunternehmen gebe. Wie bei allen globalen Fragen liege die Macht der europäischen Gemeinschaft dabei in der Stärke der Union, die in Zukunft durch engere Zusammenarbeit der Einzelstaaten noch gesteigert werden könne.
Nach den beiden Eröffnungsreden tauschten sich die Vertreter aus Politik und Wirtschaft in drei Länderausschüssen und acht Foren zu Themen wie dem Umgang mit globalen Handelskonflikten, dem aktuellen Stand der chinesischen Belt and Road Initiative, den sich hinziehenden Brexit-Verhandlungen und einer nahhaltigen Finanzwirtschaft aus. Nachfolgend lesen Sie eine Zusammenfassung der von NAXNAX Netzwerk Architekturexport besuchten Teil-Veranstaltungen:

Länderausschuss Afrika – Ghana, Äthiopien, Südafrika: Der Botschafter von Ghana, Christoph Retzlaff, der Leiter der Auslandsvertretung Südafrika, Dr. Martin Schäfer und die Botschafterin von Äthiopien Brita Wagener leiteten das Forum mit kurzen Impulsen zur aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation ihrer Länder ein. Ghana und Äthiopien seien Teilnehmer der von der Bundesregierung im letzten Jahr ins Leben gerufenen Initiative „Compact with Africa“, deren Ziel es sei, die Bedingungen für den Handel und Privatinvestitionen zu verbessern, Infrastrukturprojekte in Gang zu bringen und Arbeitsplätze zu schaffen. Konkret strebe man einen Ausbau erneuerbarer Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Entwicklung des Finanz- und Bankensektors an. Damit sollen die Bedingungen für nationale und internationale Investoren verbessert und der Zugang zu Krediten für kleinere und mittlere Unternehmen erleichtert werden. Für Ghana sähen die Wirtschaftsprognosen derzeit sehr gut aus, so Retzlaff. Marktchancen für deutsche Unternehmen gebe es vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Automobilindustrie, Pharmazeutik, Schienenverkehr und Digitalisierung. Äthiopien habe in den letzten Jahren ebenfalls einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Insbesondere die Bauwirtschaft entwickle sich derzeit sehr dynamisch, auch mithilfe von internationalen Unternehmen. Es gebe durchaus einen Markt für deutsche Ingenieurs- und Beratungsdienstleistungen, dieser würden momentan allerdings, wie in vielen afrikanischen Ländern, von chinesischen und türkischen Unternehmen dominiert, so Äthiopien-Botschafterin Brita Wagener. Südafrika hingegen sei ganz anders als der Rest von Afrika, die Infrastruktur und Industrie deutlich westlich geprägter, erklärte der Leiter der Auslandsvertretung in Pretoria, Dr. Martin Schäfer. Gute Marktchancen gebe es dort für deutsche Unternehmen in fast allen Industriezweigen, da es kaum Markteintrittshürden gebe. Südafrika, insbesondere Johannisburg, sei daher auch ein guter Standort, um den weiteren afrikanischen Markt zu erschließen.

Anmerkung in eigener Sache: Aufgrund der Aktualität und des großen wirtschaftlichen Interesses an Afrika seitens der deutschen Regierung und Wirtschaft (am Vortrag wurde im Bundeswirtschafts-ministerium das Wirtschaftsnetzwerk Afrika in einem Symposium, an dem NAX ebenfalls teilnahm, vorgestellt) haben die beteiligten Verbände der Wertschöpfungskette Bau beschlossen, ihren nächsten Außenwirtschaftstag Architektur, Planen und Bauen ausschließlich dem Thema Afrika zu widmen.

Die Botschafterkonferenz 2019 im Auswärtigen Amt

Die Botschafterkonferenz 2019 im Auswärtigen Amt Thomas Koehler, photothek.net

Länderausschuss Zentralasien – Kasachstan und Usbekistan: Günther Overfeld, Botschafter Deutschlands in Taschkent (Usbekistan), führte aus, dass es in den letzten Jahren vor allem in gesellschaftlicher Hinsicht nennenswerte Reformen gegeben habe, auch wenn diese nicht zwangsläufig mit deutschen Vorstellungen zu vergleichen seien (z.B. weniger Zwangsarbeit, jedoch eine hohe Arbeitslosigkeit). Auch der rechtliche Rahmen verbessere sich langsam. Wirtschaftliche Reformen und eine Verbesserung der Beziehungen zu und zwischen den zentralasiatischen Ländern sowie Afghanistan und Iran stünden jetzt jedoch im Zentrum. Es gebe einen enormen Bedarf an Infrastrukturprojekten im ganzen Land, jedoch sei die Finanzierung dieser gleichzeitig eine große Herausforderung. So war Usbekistan 2018 beispielsweise auf Rang 158 von 180 Ländern im Korruptionsindex. Diesen Herausforderungen stellten sich oft nur chinesische Unternehmen, denn China sei derzeit größter Geschäftspartner von Usbekistan. Dennoch würde seitens der usbekischen Regierung und Unternehmen gegenüber China möglichst vorsichtig agiert. Das Baugewerbe konnte 2018 und 2019 nach einem schwachen Jahr 2017 wieder real um mehr als 10 Prozent zulegen. Wachstumsmotoren sind der Wohnungsbau, große Stadtentwicklungsprojekte und der Ausbau der Transportinfrastruktur (s.o.). In ländlichen Regionen und Landkreiszentren sollen jährlich mindestens 15.000 preiswerte Häuser errichtet werden, in der Hauptstadt Taschkent sogar ein neuer Stadtteil mit Wohn-, Handels-, Büro- und sozialen Bauten. Außerdem fördere der Staat den Bau von Hotels inklusive der lokalen Infrastruktur.

Der neue Präsident Kasachstans treibe ebenfalls Reformanstrengungen sowie ehrgeizige Privatisierungsprojekte voran, wie Botschafter Dr. Tilo Klinner berichtete. Auch der Kampf gegen die Korruption würde angegangen. Mit seinen knapp 18,5 Mio. Einwohnern (mehrheitlich Kasachen und Russen) gehöre Kasachstan laut IWF zur Gruppe der erfolgreichen Transformationsstaaten. Die Strategie „Kasachstan 2050“‘ verfolge dabei als langfristiges Ziel den Aufstieg Kasachstans in die Gruppe der 30 am meisten entwickelten Staaten zu ermöglichen. Eckpfeiler der kasachischen Wirtschafts- und Finanzpolitik sind neben einer geringen Verschuldung und einer Neuausrichtung der Energieversorgung, eine verstärkte Modernisierung und Diversifizierung der kasachischen Wirtschaft, um deren Abhängigkeit vom Abbau und der Weiterverarbeitung von Rohstoffen, insbesondere von Rohöl, zu verringern. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Ausbau der verarbeitenden Industrie, der Landwirtschaft und des Transportwesens sowie der Umstrukturierung des Energiesektors zu. Priorität genieße zudem die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie strukturschwacher Regionen. Vor Russland und China bleibe dabei die EU wichtigster Handelspartner des Landes.

Forum „Chinas Belt and Road – Ideologische Einbahnstraße oder Brückenbau mit Geschäftschancen?”: In dem Forum diskutierten der deutsche Botschafter in Peking, Dr. Clemens von Goetze, Dr. Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender der Herrenknecht AG, Clas Neumann, Senior Vice President von SAP Labs Network sowie EAD Coordinator and Ambassador at large for Connectivity des Europäischen Auswärtigen Dienstes Romana Vlahutin über die Risiken und Chancen der chinesischen Belt and Road Initiative für Wirtschaftsunternehmen weltweit. Die chinesische Regierung verfolge mit dem Mammut-Projekt drei Hauptziele, erklärte Botschafter Dr. von Goetze: die Sicherung seiner Rohstofflieferungen aus anderen Ländern, den Zugang zu globalen Logistikketten sowie die Erschließung geopolitischer Ziele aus sicherheitsrelevanten Gründen. Bisher profitierten zu 90 Prozent chinesische Unternehmen von der Initiative, so von Goetze. Daran hätten auch wiederholte Appelle an die Regierung, internationale Unternehmen nicht zu benachteiligen, nichts geändert. Er empfehle nun, an die Dritt- bzw. Empfängerländer der Belt and Road Initiative heranzutreten. Diese seien europäischen Unternehmen gegenüber deutlich aufgeschlossener. Auch Romana Vlahutin sieht die einzige Möglichkeit, sich gegen die chinesische Dominanz zu behaupten, im europäischen Verband. Daher arbeiteten der Europäische Auswärtige Dienst und die EU-Kommission mit einer „connectivity strategy“ bereits daran, Europa und Asien durch digitale und analoge Infrastrukturnetzwerke besser zu verbinden.

In der Mittagspause sowie im Anschluss an die Foren und Workshops konnten dann Eins-zu-Eins-Gespräche mit den Botschaftern geführt werden, was auch das NAX nutze, um zu Netzwerken. Der Tag, die Inhalte und die Netzwerk- und Gesprächsmöglichkeiten sowie der direkte wirtschaftlich-politische Austausch wurde von NAX-Paten sowie dem NAX und den anderen Verbänden der deutschen Wertschöpfungskette Bau erneut als ausgesprochen bereichernd wahrgenommen. Er stellt eine gute Vorbereitung für den nächsten Außenwirtschaftstag Architektur, Planen und Bauen dar, den die genannten Beteiligten unter Federführung von NAX und BAKBAK Bundesarchitektenkammer am 11.2.2020 im Auswärtigen Amt durchführen werden.

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